GIER
mit Arbeiten von:
Benjamin Badock · Anne Brannys · Annedore Dietze · Chris Dreier · Thilo Droste · Tobias Heine · Michael Schäfer · Sencer Vardarman · Daniela von Waberer · Clemens Wilhelm
Eröffnung am Freitag, den 24. November 2017 um 19 Uhr
25. November 2017 – 06. Januar 2018
"Der entscheidende Punkt ist doch, daß die Gier, leider gibt es dafür kein besseres Wort, gut ist. Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jedes fortschrittlichen Geistes. Gier in all ihren Formen, die Gier nach Leben, nach Geld, nach Liebe, Wissen hat die Entwicklung der Menschheit geprägt. Und die Gier bedenken Sie diese Worte wird nicht nur die Rettung sein für Teldar-Papers sondern auch für diese andere schlecht funktionierende Firma, die USA. Haben Sie vielen Dank“.
Michael Douglas als Gordon Gekko 1987 im Film Wall Street
zu Anne Brannys · o. T. (2013), Schwanenei, Vergoldung (23,5 Karat),
Introversion 114
Ich bekam ein Schwanenei geschenkt. Schon lange hatte ich mir eins gewünscht, nachdem ich mich in einem kleinen Laden für Mineralien, Fossilien und allerlei aufregenden Obskuritäten in der Weimarer Fußgängerzone in ein Schwanenei verliebt hatte, das dort in einer Vitrine aus- gestellt war. Sein seidig matter Glanz, sein ins Gold schimmerndes Weiß, seine Erhabenheit selbst über filigran geschnitzte Straußeneier rechts daneben weckten das Verlangen, es zu besitzen. Ich stellte mir vor, wie es sich in meiner Hand anfühlen würde, seine Glätte und Festigkeit, seine Leichtigkeit, wie einfach es durch einen geringen Druck meiner Finger zerbrechen könnte. Ein Kauf schien unmöglich zu sein, die Vorstellung, dieses Objekt im Tausch gegen 32 Euro zu erhalten, absurd. Das Schwanenei, das ich geschenkt bekam, stammte von einem Schwarzkopfschwan und schimmerte in einem ungekannten Farbton zwischen Blau, Weiß, Grau und Grün. Es war perfekt gerundet und lag verlockend groß und leicht und einfach in meiner Hand. Ich hatte es täglich betrachtet und nur manchmal berührt, bis es mir eines Tages aus der Hand glitt und am Boden in ungefähr 25 unterschiedlich große Teile zerbrach.
Eine Weile stand es als ein materialisierter Vorwurf an meine Ungeschicklichkeit im Regal.
Dann habe ich es Scherbe für Scherbe an seiner sonst für den Blick verborgenen Innenwand vergoldet.
zu Chris Dreier ·Tulip Mania I, (Semper Augustus), Acryl auf Leinwand, 57 x 34 cm, 2015
Tulpenmanie - die erste bekannte Spekulationsblase
Im 17. Jahrhundert wurde die Tulpe, von den Türken des Osmanischen Reiches schon lange als heilige Blume verehrt, in den damals wirtschaftliche führenden Niederlanden zum Objekt der Leidenschaft als exotisches Statussymbol. Das als moralistisch-calvinistisch und sparsam geltendes Volk geriet in ein nie da gewesenes Spekulationsfieber. Die Tulpe symbolisierte Wohlstand, – der sonst nicht in der Öffentlichkeit vorgeführt wurde – mit Ausnahme von Landhäusern und Gärten. Die Preise stiegen und stiegen und immer mehr Leute beteiligten
sich, auch nicht Wohlhabende. Es führte dazu, dass Floristen Zwiebeln verkauften, die sie gar nicht liefern konnten, an Leute, die sie nie einpflanzen wollten. Tulpen, die nie geblüht hatten, wurden gehandelt bis das Ganze unglaubwürdig wurde und innerhalb weniger Tage komplett zusammenbrach. Die teuerste Tulpe war die „Semper Augustus“, die ihr exotisches Aussehen dem seltenen Mosaikvirus verdankte.
zu Clemens Wilhelm · THE MOST PHOTOGRAPHED MAN IN BERLIN
Performance Documentation, HD Video of 1000 Photos, 50 min, Berlin, 2016
In 2014, Clemens Wilhelm attempted to become a Berlin tourist attraction. He sat in front of the Berlin Wall for four hours every day for two month, holding a sign that said: THE MOST PHOTOGRAPHED MAN IN BERLIN.
After 1000 photos of him had been posted on Facebook, the performance ended. During the performance more than 10.000 photos were taken. More than 250.000 people followed the performance on Facebook. The documentation video shows the first 1000 photos that were posted on Facebook in a loop. A text-to-speech voiceover recites tourist comments on the performance.

Der lieben Mutter ['f clksk nst]
mit Arbeiten von:
Roman Klonek · Kaisu Koivisto · Hinrich Kröger · Matthias Moravek und Kristina Rutar // eingeladen von Susanne Ring
Eröffnung am Freitag, den 27. Oktober 2017, 19 – 22 Uhr
Finissage am Samstag, den 18. November 2017, 18 – 21 Uhr
28. Oktober 2017 – 18. November 2017
„Gibt es so etwas wie eine zeitgenössische Volkskunst?
Eines der Merkmale von Volkskunst ist, dass sie von Tradition und Überlieferung geprägt ist. Den Kern des Mythos Volkskunst bildet ein als kollektiv imaginierter Motivkatalog, dessen Formensprache von Generation zu Generation überliefert worden ist.“ 1
Dieser Motivkatalog, vielmehr die bewusste Auseinandersetzung, Erweiterung und Bearbeitung, ist ein verbindendes Element der Künstler*innen dieser Ausstellung.
Der aus Polen stammende Künstler Roman Klonek zum Beispiel beschreibt seine Arbeit als bizarren Balanceakt zwischen Propaganda, Folklore und Pop. Er nennt als Einflüsse polnische, russische und tschechische Trickfilme der 1970er Jahre, aber auch aktuelle amerikanische und japanische Grafiker. Klonek verwendet die Technik des „verlorenen Schnitts“, bei dem der Druckstock nur ein Mal verwendet werden kann, eigenhändig gedruckt in Auflagen von bis zu zehn Stück.
Die finnische Künstlerin Kaisu Koivisto bezeichnet die Spannung zwischen Natur und Technologie als Gegenstand ihrer künstlerischen Untersuchungen. Ihre Materialien und Motive findet Sie in Ihrer nord- ischen Umgebung, dabei benutzt Sie Stahl und Leder ebenso wie Knochen, Horn oder Fotografien in Ihren Arbeiten. Deren Wurzeln sieht sie auch in der Auseinandersetzung mit Wunderkammern, Zoos, Science Fiction oder domestizierten Tieren. Dabei interessiert Sie sich vor allem für den Blick der Menschen auf ihre Umwelt, die Natur und wie diese durch die den Einfluss von Technik sich zunehmend verändert. Kaisu Koivisto zeigt mit großer Finesse in Ihren Arbeiten schöne Oberflächen, die von Ihr mit einer tieferliegenden Ebene versehen sind, die sich dem Betrachter oft erst auf den zweiten Blick erschliesst.
Kristina Rutar aus Slowenien geht immer wieder von der menschlichen Figur aus und versucht durch die Neuinterpretation uns bekannter Formen universelle Geschichten zu erzählen. Bei ihren keramischen Arbeiten verwandelt Sie häufig klassische Gestalten in abstrakt wirkende Strukturen die Sie immer weiter auflöst. Sie untersucht dabei die handwerkliche Techniken, Möglichkeiten der Narration im Material, historische Dimensionen und die Ebene des Privaten.
Der Berliner Hinrich Kröger hat nach seiner Töpferlehre, an der HdK, Kunst studiert. Er nennt seinen Galerieraum in der Gipsstraße auch „Volkskunst Berlin“, dort verbindet er klassische Themen etwa aus Sagen oder der Seefahrt mit aktuellen Motiven aus Mode, Oper und Populärkultur. Durch den besonderen Umgang mit Dekor und Dimensionen bieten uns seine Objekte fantastische Ausschnitte und Einblicke in seinen künstlerischen Kosmos.
Matthias Moravek untersucht in seiner Malerei die bildnerische Darstellbarkeit von Wäldern, Wolken,
Gebirgszügen, Ebenen, Dschungeln und Territorien, Landschaften im weitesten Sinn also. Wesentliche Bezugspunktesind dabei Panoramen, Dioramen oder Reiselithographien, also kulturell geprägte Wahrnehmungen von Landschaft. Dabei interessiert ihn das künstliche Bild der Natur ebenso wie dessen inhaltliche und formale Schichtung. Moravek - selbst ein Reisender - verdichtet dabei Themen wie die Entdeckung, Eroberung und Inbesitznahme von Landschaften, Regionen oder Kontinenten zu einer Malerei, die sich nie vollständig enträtseln lässt.
Susanne Ring ist eine Sammlerin, sie sammelt Erinnerungen, Ihre Eigenen genauso wie die Spuren von fremden Erinnerungen. In Ihren Arbeiten verknüpft Sie immer wieder Motive aus Ihrer Sammlung mit autobiographischem Material. Dabei entstehen neben einer figürlichen Umsetzung immer auch zweidimensionale malerische Bearbeitungen des intendierten Themas. Durch die Verwendung von wiedererkennbar Alltäglichem schafft Sie Assoziationsflächen für den Betrachter und eröffnet durch diesen Zugang den Dialog zwischen ihm und den Arbeiten im Raum.2 Susanne Ring beschäftigt sich mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, Beziehungskonstellationen und deren Dialogformen.
„Der Lieben Mutter“ - der Titel dieser Ausstellung löst ein uns allen bekanntes Bild aus zur „Mutter aller Beziehungen“ die Verbindung zur eigenen Mutter.
1 aus Zeitgenössische Volkskunst? - Sibylle Ryser , 2008
2 aus „Die Dynamik der Stille“ - Jacqueline Maltzahn-Redling, 2011
Danke für die Unterstützung der Künstlerinnen Kristina Rotar und Kaisu Koivisto durch:

Arbeit & Konsum
Holger de Buhr · Juliane Duda · Katrin Hoffert · Thomas Nitz · Jens Wohlrab
Eröffnung am Freitag, den 29. September 2017, 19 - 22 Uhr
Künstlergespräch am Samstag den 21.10.2017 um 18:30 Uhr, im Anschluss Finissage
30. September 2017 – 21. Oktober 2017
Mitten im Wirtschaftswunder, Ende der 50‘er Jahre, stellt Hannah Ahrend bereits fest: Arbeit und
Konsum seien zwei Seiten eines Kreislaufs, in dem das Leben schwingt, wobei das Konsumieren an
die Stelle aller relevanten Tätigkeiten getreten sei. Und Jürgen Habermas konstatiert zur selben Zeit in
seinen frühen Aufsätzen „Arbeit, Freizeit und Konsum“, der Konsum sei bereits zum Index einer ganzen
Gesellschaft aufgerückt. Er prognostiziert visionär das Wegfallen der Facharbeiterberufe durch Autom-atisierung und eine
daraus resultierende gesellschaftliche Spaltung in eine kleine, hochqualifizierte
Elite und ein großes Prekariat rein konsumierender „Neobarbaren“, mit der Gefahr des Übergangs
in ein autoritäres System. Diese könne gebannt werden, wenn die von Arbeit frei gewordene Zeit
in Bildungspflege und freiwilliger Konsumaskese den breiten Schichten den Weg zur Teilnahme am
gesellschaftlichen Geschehen in aktiver Muße eröffnet.
Das sind dem Künstlerberuf immanente Daseinsalternativen, auch wenn die Konsumaskese nicht
immer ganz freiwillig stattfindet. Eine verschärfte und globale Vision dieses Szenarios liefert 1995 der
US-amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Text „The end of work“ und folgert:
„Wir brauchen eine Reglobalisierung bei der die Bedürfnisse der Mehrheit im Vordergrund stehen. Entweder wir bekommen eine
Welt mit Massenarmut und Chaos, oder eine Gesellschaft, in der sich die
von der Arbeit befreiten Menschen individuell entfalten können.“ Die zweite Aussicht hätte vermutlich
sowohl Marx, als auch Humboldt gefallen.
Die Arbeiten in der Ausstellung berühren verschiedene Aspekte des Begriffspaares Arbeit und Konsum
– explizit oder indirekt: Mit der an Leuchtwerbung erinnernden Arbeit „Volker“ von Holger de Buhr sehen wir uns einem prekär anmutenden Typen gegenüber, einem regelrechten Antimodell zur Werbe- ästhetik, der
euphorisch eine aus heutiger Sicht fast nostalgische, noch nicht mit dem Internet ver- bundene Kaffeemaschine der Verpackung entrissen hat. Volker leuchtete Mitte der 90‘er Jahre
tatsächlich am Bahnhof Friedrichstraße gegenüber dem Marlboro-Mann, dessen Werbeversprechen er ironisch spiegelte.
Juliane Duda baut ihre Bildwirklichkeiten mit Hilfe eines Verfahrens, das nur auf den ersten Blick einer
fotografischen Realität ähnelt. Mit ihrer hier gezeigten Arbeit führt sie uns an ein osteuropäisches
Ensemble architektonischer Rückstände: werktätige Lebenswelt im Präteritum. Eine stillgelegte Fabrik,
das vor kurzem geräumte Wohnheim der Produktionsarbeiter und ein verdunkelter, ehemaliger Supermarkt, etwas das früher
Tante-Emma-Laden geheißen hätte, ostdeutsch auch Konsum, mit einem vom Strom der werktätigen Lebensmittelkäufer zertretenem Fußabstreifer: einst die Schwelle
zwischen
Arbeit und Konsum, die inzwischen versiegt waren, Produzenten und Verbraucher vertrieben, bzw.
weitergezogen. Ihre Hinterlassenschaften prägen nun ästhetisch Blick und Landschaft.
Das von Katrin Hoffert aus alten Jeansstoffen genähte, überlebensgroße Portrait eines chinesischen
Denim-Arbeiters fragt nach einer fehlenden Ethik des Textil-Weltmarkts, dessen Teilnehmer wir alle
sind und der ebenso mutiert ist, wie die Jeans selbst: vom puritanischunverwüstlichen Beinkleid des
amerikanischen Landproletariats, über das freiheitsverheißende Rebellions-Textil der Jugend Mitte des
20. Jahrhunderts, zur globalen, oft bereits pseudoverschlissen hergestellten Freizeit-Plünne von heute.
Der ReUse-Ansatz der in langwieriger Patchworktechnik hergestellten Arbeit, weist dabei gleichzeitig
einen altbekannten Weg aus dem Verschwendungsdilemma: hin zur handwerklichen Selbst-ermächtigung und Deutungshoheit über die
Zweckbestimmung der Dinge.
Thomas Nitz fotografische Unikate widersetzen sich potenzieller Massenproduktion und digitaler
Beherrschbarkeit durch einen eigentümlichen Herstellungsvorgang, der sowohl auf Malerei fußende
Arbeitsschritte, als auch das klassische Analogverfahren beinhaltet. Die hier gezeigten Arbeiten stammen aus der Werkgruppe
„Kathedralen“: Was auf den ersten Blick wie aus der Frühzeit der Fotografie stammende, leicht verwackelte Außen- und Innenansichten von Sakralbauten
daherkommt, entpuppt sich als die heutigen Tempel und Pilgerstätten, die wirken wie aus ihrer zukünftigen Vergangenheit betrachtet: Einkaufscenter, Bau- und Technikmärkte, wo die Konsumgläubigen in gleißendem Licht zu ständig neuen Materialisationen ihres
Fetischs beteten.
In Jens Wohlrabs Bild „Bachelor“ finden wir schließlich die Einladung zum Ausstieg aus dem
Hamsterrad: aktiver Müßiggang in angenehmer, leicht-bekleideter Gesellschaft, in einem völlig von
der Realwelt losgelösten, freigeistigen Bilduniversum: mehrebenige, lose herum floatende Farbklänge,
-schlenker, -kringel und -verdichtungen, die mit seltsamen organischen Schwarz- Weiß-Gebilden
kommunizieren. Die vermeintlichen Protagonisten des Bildes rücken im Laufe der Betrachtung immer
weiter weg, wie das Paar auf der Picnick-Decke in dem Charles & Ray-Eames-Film Powers of Ten, und
alles wird relativ.
Text: Katrin Hoffert

MIMESIS
Manuel Frolik und Thilo Droste
Eröffnung am Freitag, den 01. September 2017, 19 – 22 Uhr
02.09.2017 – 23.09.2017
In der Ausstellung MIMESIS erproben die Künstler Thilo Droste und Manuel Frolik die Grenzen und Möglichkeiten der Realitätserweiterung. Authentizität, Fiktion,postfaktische Gewissheiten…?
Was sich hier materialisiert ist entliehen, zitiert, plagiiert oder schlicht geklaut, jedoch nicht ohne dem gesampelten Material die eigene Handschrift und eine
künstlerische Neudeutung mit auf den Weg zu geben. Die Besucher*innen erwarten überraschende Begegnungen mit alten und neuen Bekannten:
Fast beiläufig erkennt man Manuel Frolik auf seinen Polaroids eben noch mit Andy Warhol bei einem Drink an der Bar – möglicherweise im Austausch über gemeinsame
Bekannte wie Madonna, Tom Waits oder mit seiner Jugendliebe Winona Ryder – da entdeckt man ihn auch schon auf einer Plattenkamera-aufnahme aus dem 19. Jahrhundert neben Walt Whitman!
Auch Thilo Droste überschreitet in seiner Arbeit Survival Reloaded Zeit- und Raumgrenzen: Da paddelt ein Kanut von Peter Doig über den Chiemsee und man sieht,
dass auch Matisse sich seine Abstraktion erst stückweise erarbeiten musste. Ganz und gar unbekannt waren einem bisher die malerischen Exkursionen eines Roman Signer oder Ai Weiwei.
Hier trifft sich prominentes Personal der Kunstgeschichte zum gemeinsamen Veitstanz und Rollenspiel und wirbelt dabei alle Kategorisierungen durcheinander – ein
Medley aus Kanon, Namedropping und visuellen Ohrwürmern. Der Betrachter wird hineingezogen in den Mahlstrom der verrückten Gezeiten, man will mitschwimmen und eintauchen in dieses Meer
simultaner Möglichkeiten.
Dr. Marc Entente

Summer | Shift
Enrico Niemann
Eröffnung am Dienstag, den 25. Juli 2017, 19 – 22 Uhr
Finissage am Sonntag, den 27. August 2017, 16 - 21 Uhr
„Summer | Shift“ ist ab dem 26. Juli bis 27. August im Schaufenster der Galerie zu sehen.
26. Juli 2017 – 27. August 2017
„Geradezu erfinderisch gestaltet sich der Produktionsprozess bei den Arbeiten von Enrico Niemann: Dünne Folienbahnen sind immer wieder übereinander geschichtet
worden und schon über und über mit Acrylfarbe bedeck. Die Farbe bildet dünne Rinnsale, Schlieren und Strukturen, die teilweise getrocknet sind oder noch feucht glänzen. Die gesamte Fläche besteht
aus verschiedenen Ebenen - fast wie auf einer dreidimensionalen Landkarte bilden sich immer wieder Erhöhungen und Vertiefungen. Abbau- und Aufbauprozesse bestimmen dieses Farbgefüge, in einem der
Täler aus gepresster Folie steht eine Lache aus blauer Farbe.
Die Techniken, die Enrico Niemann verwendet, sind höchstens angelehnt an Verfahren wie das der Décalcomanie, das diese amorphen Zufallsstrukturen
hervorbringt. Als Surrealist hat Max Ernst diese Abklatschtechnik häufig verwendet um eigentlich unabbildbare Traumlandschaften darstellen zu können. Enrico Niemanns Technik, seine Materialien
wie Acrylfarbe, Folien und Harze verankern seine Arbeiten zu sehr im Hier und Jetzt als das sie eine direkte Linie erkennen lassen würden und doch verbindet die Werke beider Künstler neben der
Lust am Experiment noch etwas anderes: Das Aufbrechen des Bildraumes. Während dies in der surrealistischen Malerei oft mit einer spirituellen Erweiterung und einem langsamen Versinken einhergeht,
ja die Erweiterung des Bildraumes quasi zur Bewusstseins-erweiterung wird, streben die neuen Arbeiten von Enrico Niemann viel schneller, fast explosiv, nach außen. Die Bewegungen des
Produktionsprozesses, das Tröpfeln, gießen, fließen der Farbe erscheint auf der Rezeptionsebene zigfach potenziert. Durch die entstehenden Formen, die Schollen und Scherben entwickeln die
Arbeiten eine eigene Materialität, eine Körperlichkeit. Scheinbare Materialfehler, Imperfektionen wie Bläschen und Risse fragmentieren unseren Blick und beleben ihn damit. Der Körper des
Betrachters kommt selbst in Bewegung: Er tritt näher heran, tritt zurück, legt den Kopf schief, um die einzelnen Spiegelungen und Brechungen des Lichts genauer betrachten zu können, geht in die
Knie um das Spiel mit der Oberflächenstruktur zu ergründen, wandert mit dem Blick weiter um das einzelne Bild im Zusammenspiel mit den anderen Arbeiten der Serie zu sehen. Ähnlich wie die
Lichtbrechung auf benzin- und ölhaltigen Wasseroberflächen changiert die Farbwirkung und der Blick springt. Der Bildraum wird aufgesprengt, fast erscheinen Enrico Niemanns Arbeiten flüssig und
fest zugleich.
Nicht nur durch ihre Präsentation mit den ungeglätteten, gegeneinander verschobenen Kanten, wirken sie daher wie Fragmente, wie rausgerissen aus einem größeren
Zusammenhang. Der lateinische Ursprung des Wortes Fragment ist frangere: brechen. Diesen Bruch setzt Enrico Niemann in seinen neuen Arbeiten als Stilmittel ein. Denn die Zufallsstrukturen, die
Fraktalen ähnlich sehen und oft zum näher Herantreten verleiten, deuten ein Interesse an den Prinzipien von Ordnung und Chaos in Enrico Niemanns Werk an. So bricht der Künstler die
entstandenen Formen immer wieder durch subversive Eingriffe, die da am deutlichsten sind, wo die Zufallsstrukturen auf strenge Muster, Grids oder geometrisch begrenzte Flächen treffen. Der
Eingriff verdeutlicht den Zusammenfall von Ordnung und Chaos. Auch die nicht deterministisch entstandene Form fügt sich immer wieder in eine Struktur, Chaos und Ordnung sind keine Gegensätze. Die
Décalcomanie, bei der die flüssige Farbe quasi gepresst wird bevor sie vom Bildträger abgenommen wird, bringt sehr oft Fraktale hervor, eine mathematische Figur, deren gleichförmige Struktur bis
ins Unendliche geht.
Text: Jennifer Bork, Kunstverein Wolfsburg

Zabriskie Point
Maja Rohwetter und Peter Hock
Eröffnung am Freitag, den 23. Juni 2017 um 19 Uhr
24. Juni 2017 – 15. Juli 2017
Zabriskie Point
Die Explosion in der Schlusssequenz des Films Zabriskie Point von Antonioni (1970) bildet die
Hintergrundfolie für diese Ausstellung, die sich mit der Bedingtheit der Wahrnehmung auseinandersetzt.
Vor allem das zerfetzte Inventar der gesprengten Villa, das wohlkomponiert in Zeitlupe dem Betrachter entgegen schwebt,
spricht eine von der Handlung losgelöste, ästhetische Sprache, die als Modell für Bildfindungen mit intendiertem Kontrollverlust dient. Die Bildelemente entstammen bei beiden Künstlern ursprünglich der Realität.
Bei Peter Hock sind es teilweise noch erkennbare, aber fragmentierte Alltagsobjekte, die in einer
speziellen Zeichentechnik mit Reißkohle auf großformatiges Papier gebracht werden.
Bei Maja Rohwetter sind es nichtintentionale Atelier-Produkte, die zunächst als analoge Collage und / oder digital bearbeitete Fotografie und Fotomontage auf den Weg gebracht werden und dann ein Eigenleben als malerisches Bildelement entwickeln.
Beide Künstler zeichnet eine wechselseitige Beeinflussung verschiedener Medien und Arbeitsweisen
aus – Fotografie, digitale Bearbeitung, malerische und zeichnerische Transformation.
So können sich bei Peter Hock neben fast erkennbaren Gegenständen Linienknäuel und fleckenartige Gebilde im Bildraum befinden. Und bei Maja Rohwetter verschwommene Farbklumpen, streifige Schlierenreste und antiseptisch glatte Flächen, die in einer dichten Zusammenstellung eine Art schwebendes Malereikonglomerat auf einem künstlichen Farbverlauf bilden. Durch die zufällige oder beiläufige Entstehung im Atelier haben die Bildgegenstände bereits einen Abstraktionsprozess durchlaufen, der sie zwar als Ding noch erkennbar sein lässt, sie zugleich aber an die Grenze zum diffusen, begrifflich nicht mehr fassbaren Objekt schiebt.
Nach der Explosion gibt es keinen Blick zurück, keine Einstellung, die Klarheit schaffen würde.
Durchaus möglich, dass alles nur eine Vorstellung ist.
Gabriele Künne

Paradoxie des Haufens
Gabriele Künne und Philipp Hennevogl
Eröffnung am Freitag, den 26. Mai 2017 um 19 Uhr
Künstlergespräch am Samstag den 17. Juni um 18 Uhr, im Anschluss Finissage
27. Mai 2017 – 17. Juni 2017
Paradoxie des Haufens
Aus wie vielen und welchen Elementen muss ein Haufen bestehen, um als solcher benannt zu werden, müssen die Elemente gleichartig sein oder können es Elemente
unterschiedlicher Herkunft sein ? Ab wie vielen Elementen wäre es als „Nicht-Haufen“ (Wittgenstein) zu bezeichnen ?
Philipp Hennevogl und Gabriele Künne haben sich mit dem Begriff des Haufens, der vagen Bestimmung von haufenartigen Formationen auseinander gesetzt.
Philipp Hennevogl zeigt großformatige Linolschnitte, die unterschiedliche Haufen noch erkennbar werden lassen. Durch die Technik des Künstlers erfolgt jedoch eine
Abstraktion, die unterschiedliche Arten von Linien und Flächen, von Positiv und Negativ mit thematisiert. Damit ist auf den Drucken einerseits das Abbild eines bestimmten realexistierenden
Haufens vorhanden, der zuvor fotografisch festgehalten wurde - andererseits aber auch das Wesenhafte einer Möglichkeit eines Haufens dargestellt.
Die dreidimensionalen Arbeiten von Gabriele Künne sehen auf den ersten Blick wie eine Anhäufung oder ein Zusammenschluss abstrakter Formen aus. Die Künstlerin
verwendet Keramik als bildhauerisches Material und verarbeitet es als gleichmäßig ausgerollte Fläche, die zu dreidimensionalen Objekten gefaltet, geworfen oder gestaucht wird. Die Formensprache
orientiert sich dabei an dem assoziativen Potential des geometrisch-deformierten Einzelobjekts, aber auch der Zusammenstellung mehrerer ähnlicher Objekte - niemals eindeutig, aber einer
bestimmten Assoziationskette folgend.
Beiden Positionen wohnen Überlegungen zur Wahrnehmung inne, zu Konstrukten und Schemata einerseits und alltäglich neuen Erfahrungen andererseits.

Ausscherend
Peter Dobroschke und Harriet Groß
Eröffnung am Freitag, den 28. April 2017 um 19 Uhr
Feinstaubschach, am Samstag, den 6. Mai, 16 –19 Uhr
29. April 2017 – 20. Mai 2017
Ausscherend
Die Ausstellung „Ausscherend“ bringt neue Arbeiten der Berliner Künstler Harriet Groß und Peter Dobroschke in einen offenen Dialog miteinander. Beide arbeiten
installativ, ihre Themen und Umsetzungen sind jedoch sehr verschieden. Gemeinsam ist ihnen eine ähnliche Sensibilität für Material sowie die Vorliebe für langsame und einfache
Low-Tech-Verfahren.
Ausscheren bedeutet zunächst eine etablierte Formation wie eine Linie, Gruppe oder eine vergebene Spur zu verlassen, oder auch nur vom Fahrradweg auszuscheren, um
zu Axel Obiger zu gelangen. Es ist immer eine seitliche Bewegung, quer zum üblichen Momentum — also eigentlich etwas, was in diesen Zeiten wichtiger denn je sein könnte. Als Wortspiel vermag der
Titel aber auch die Aufmerk-samkeit auf einen konkreten, für beide wesentlichen Arbeitsschritt zu lenken, das Schneiden.
Ein bedeutender Teil von Harriet Groß’ Arbeit sind filigrane, weit verästelte „Zeichnungen“, die sie präzise aus Papier oder Metallfolie ausschneidet. Diesem
konzentrierten Prozess stehen die schnellen raumgreifenden Zeichnungen entgegen, die sie mit Tape und Schnüren direkt auf Wände, Decken und Boden aufträgt oder quer durch den Raum hängt. In den
letzten Jahren entwickelt sie vermehrt Installationen aus heterogenen Materialien, die ihren gedanklichen Ausgang bei aktuellen gesellschaftlichen Ereignissen nehmen. Sie verwebt ihre Metall-
oder Papier Cutouts mit herkömmlichen Materialien wie Schnüren, Tape, Holzstangen, Jalousien oder Glasobjekten zu komplexen Raum- zeichnungen, die wie ihre Scherenschnitte zahlreiche Durch- und
Einblicke ermöglichen. Nur in dem man sich selbst bewegt und ständig die Perspektive wechselt, lassen sich diese Installationen erfassen. Aufgrund der überbordenden Komplexität, mit der die
Elemente sich je nach Blickwinkel überlagern, ineinander übergehen und so Grenzen verfließen lassen, kann man sie in ihrer Gesamtheit allerdings nie vollständig durchdringen.
Menschen begeben sich auf den Weg, verändern ihre Räume. Auf ihre Spuren hat sich Groß’ für die neuen Arbeiten in der Ausstellung „Alluvio“ und „Echo“ begeben. Sie weicht dazu von ihrer her- kömmlichen Praxis ab, geht in gewisser Weise umgekehrt vor, und erzeugt Zwischenräume nicht durch Wegschneiden, sondern sie setzt Materialien zusammen, um den Raum zwischen den Dingen zu akzentuieren. Sie konstruiert die Raumcollagen und Erinnerungsräume aus Fundstücken und Überresten ihrer Cut-outs, die mit der Zeit in ihrem Atelier angeschwemmt wurden. Reste von Spiegelfolie, das Plastiknetz einer Stuhlrückwand, Gummischnüre, die Rückseite eines Verbotsschildes, eine Schrankabdeckung, ein Glasobjekt — alles Dinge, die irgendwie übriggeblieben sind, und zum Teil auf der Straße aufgelesen wurden. Die Materialien haben nicht nur eine formal ästhetische Qualität; sie sind und bleiben in Groß’ Installationen Objekte, die ein Eigenleben haben und Assoziationen und tiefergehende Bedeutungen zu transportieren vermögen. Bei den neuen Arbeiten zieht die Künstlerin mit den Objekten Linien zwischen privaten Erinnerungen wie Gedanken und der allgegenwärtigen medialen Informations- und Bilderflut. Es sind Fragen nach Annäherung, nach Verortung, nach Ankommen und nach Durchlässigkeit, die in ihren Installationen vom Unterwegssein anklingen.
Peter Dobroschke durchschneidet häufig Papiere und Abbildungen oder stellt sie frei, um sie in seine konzeptuellen Installationen einzusetzen, die als Vexier- und
Kippbilder die einfache Wahrnehmung und Lesbarkeit der Dinge verdrehen. Seine neuen Installationen und Fotoobjekte konfrontieren uns mit Wahrnehmungsirritationen, Skurrilitäten und logischen
Unmöglichkeiten, die auf allgemeine, nicht auflösbare Widersprüche hindeuten und die Grenzen rationalistischen Denkens und Handelns markieren. Was ist Kunst machen und was ist das Kunstwerk; was
bedeutet es sich als Künstler in der Welt zu bewegen und jeden Tag etwas Sinnhaftes zu erzeugen? Dies sind einige der einfachen und zugleich schwierigen Fragen, die seiner Arbeit
zugrundeliegen.
Seine Installationen sind zumeist trockene, lakonische Umsetzungen von Ideen oder Wortspielen, die die Absurdität und Komik der Dinge freisetzt. Wie etwa die
Installation „Optical Cocktail“, die ganz wörtlich und mit einfachsten Mitteln die Worte „fern“ und „Glas“ in eine verschachtelte visuelle Illusionsmaschine übersetzt und dreidimensionale Bilder
eines Fernglases sowie eines weit entfernten Glases erzeugt. Bei der Videoarbeit „Drehzahl meiner Beweggründe“ korrespondiert die mühsame Herstellung der Arbeit im antiquierten
Bild-für-Bild-Animationsverfahren zu den gezeigten sisyphos- haften Handlungen des Künstlers in seinem Atelier. Dobroschke hat seine nach Morgengymnastik anmutende Bewegung des in der Luft
Fahrradfahrens in neun Einzelbildern aufgezeichnet. Die Fotos wurden in die Speichen eines Fahrrades montiert, das Fahrrad bei einer Kreisfahrt im Atelierhof erneut abfotografiert und diese
Fotografien schließlich zu einem Film animiert. Im Film wechselt der Künstler zwischen Antreibendem und Getriebenen, verbleibt bei all der angestrengten Bewegung aber in einem geschlossenen
Kreislauf.
Die Frage nach dem halbvollen bzw. -leeren Glas ist so banal wie tiefgründig. Für „Realistenlimo“ hat Dobroschke die Fotografie eines halbgefüllten Glases genau
entlang des Wasserspiegels eingeschnitten. Zwei, durch den Schnitt in entgegengesetzter Richtung eingeschobene Strohhalme verschränken abgebildetes und reales Objekt inhaltlich miteinander, was
in unserem Kopf ein konstantes Springen zwischen den beiden Wahrnehmungsmöglichkeiten erzeugt. Das einfache wie taktile Kippbild führt eindrücklich vor, dass es unmöglich ist zu einer eindeutigen
Wahrnehmung zu kommen. Angesichts dieser Unklarheit erscheint jegliches Streben, eine klare Haltung zur Welt zu entwickeln, so irrwitzig und tragisch.
Claudia Sorhage

Simultanübersetzung
Josina von der Linden und Barbara Müller
Eröffnung am Freitag, den 31. März 2017 um 19 Uhr
Klara Li, Gesang und experimentelle Wassergläsermusik
am Samstag, den 8. April 2017 um 19:30 Uhr
01. April 2017 – 22. April 2017
Simultanübersetzung
Die Faszination des Simultanübersetzens liegt in der bewundernswerten Fähigkeit von Dolmetschern, gleichzeitig, zu hören und zu sprechen und mit einer nur
geringfügigen Zeitverschiebung, den Inhalt des Gesagten von einer in eine andere Sprache zu übertragen.
Mit der Ausstellung „Simultanübersetzung“ sind Josina von der Linden und Barbara Müller das Wagnis des künstlerischen Dialogs eingegangen und begegnen sich dabei in
ihren jeweiligen Ausdrucksweisen. Das Prinzip der künstlerischen Übertragung wird in der Ausstellung mehrfach variiert. Gleichzeitig werden Fragen nach unserer Individualität aufgeworfen. Wo
finden wir uns wieder und wo sind wir Teil einer ästhetischen „Formengemeinschaft“? Welche Kompromisse gehen wir ein?
In den Arbeiten Barbara Müllers findet oftmals das Doppeln, Zerlegen und Rekonstruieren Anwendung. So auch beispielsweise in ihren aktuellen Wandarbeiten „skinn“
die, mit der Farbgebung des Inkarnats, bei Josina von der Linden Assoziationen von Haut und Berührung hervorriefen und diese zu den narrativen Arbeiten „Die Schleife“ und „Kragenweite“
inspirierten.
„Ein Hemd aufzutrennen ist ein mühsames Unterfangen, das Gewebe schnell verletzbar. Man muß sehr vorsichtig sein und bekommt Respekt vor der Konstruktion.
Einerseits gleicht es nun einem normierten Bausatz, streng mit Bügelfalte auf ein Format zusammenlegbar, gleichzeitig ist es auch auf vielfältige Weise verflochten mit dem Thema Berührung, Schutz
und Verletzlichkeit. Ich kam auf den Gedanken, die sonst nach außen gekehrte Fläche ähnlich einer Haut zu kennzeichnen. Das Stoffmuster sollte nur noch am Saum sichtbar sein, der Fläche,
welche sonst den Körper berührt.“
Barbara Müller
„Die zerlegten Kleidungsstücke in Barbara Müllers Arbeiten „skinn“ erinnerten mich an Fundstücke aus dem Nachlaß meiner Eltern: Schrankfertige, noch mit den
Banderolen der Wäscherei versehene, weiße, inzwischen vergilbte Hemden meines Vater mit steifen Kragen und eine kleine hautfarbene Schleife, mit der ich als Kind spielte, abgetrennt von einem BH
meiner Mutter. Natürlich schwingt beim Betrachten solcher Gegenstände Nostalgie mit, aber über die persönlichen Berührung hinaus, interessieren mich weitere Informationsebenen dieser Dinge, wie
z.B. der Zeitgeist der in Kleidungscodes steckt und das tradierte Rollenverständnis der Generation meiner Eltern.“
Josina von der Linden
In der gemeinsamen Videoarbeit „simple stuff “ #1, #2 (2017) inszenieren Josina von der Linden und Barbara Müller eine gewöhnliche Tätigkeit im
Nebeneinander. Das Equipment, bestehend aus den Einzelteilen eines seriellen Industrieprodukts, einem Kleiderständer, läßt in seiner Ästhetik entfernt an die
Kunstbewegung De Stijl oder auch an Kinderspielzeug erinnern. Das Video zeigt die Dauer eines Aufbaus und eines Abbaus in Echtzeit. Die, durch den Bauplan
vorgeschriebenen Handlungsabläufe, werden dabei von den Künstlerinnen simultan ausgeführt. Interessanterweise zeigt sich in der Ausführung trotz der vermeintlich gleichen Vorgabe eine
erstaunliche Individualität.

„Critical Mass“
Alke Brinkmann und Sencer Vardarman
Eröffnung am Freitag, den 03. März 2017 um 19 Uhr
Künstlergespräch am Samstag den 25. März um 19 Uhr, im Anschluss Finissage
04. März 2017 – 25. März 2017
Der Höhenflug des Populismus mit Trump, Erdogan, Le Pen und (oder dank?) Putin bewegt uns alle: Weil wir uns vom Faszinosum des Simplifizierens, von der Märchenwelt dieser Kulturvereinfacher
verführen lassen; oder weil wir uns jetzt doch endlich für den steinigen Weg der Verteidigung von Freiheit, Pluralität und Anstand mobilisieren lassen. Für die einen wie die anderen gilt, dass
sich bislang einzementierte Maßstäbe verschieben und damit Perspektiven der Weltsicht. Was ist Realität in Zeiten von Fake News?
Was Gewissheit, was Verunsicherung?
Auch der Kunst nötigt sich die Politik als Thema auf. Und Alke Brinkmann, die sich schon seit Jahren mit dem Verhältnis von Macht und Mensch beschäftigt und dazu teils biographisch, teils aus der
medialen Bilderwelt inspirierte Werke geschaffen hat, findet in Sencer Vardaman einen ebenso überraschenden wie offensichtlichen Seelenverwandten, den sie folgerichtig zu dieser gemeinsamen
Ausstellung eingeladen hat.
Beide, Brinkmann und Vardarman, interessiert die Wirkung von Bildern aus dem politischen Raum, beide arbeiten mit dem Verhältnis von Motiv und Inhalt.
Beide – ein Zufall? – haben sich dabei irgendwann dem vielleicht ultimativen Ikon des menschlichen Selbstzerstörungsdrangs angenommen: Vardaman spielt in „Moonlight“ mit einer postmodernen
Verkitschung des Atompilzes über dem Bikini-Atoll, Brinkmann lässt mit weißer Schicht für weißer Schicht die Verwüstung von Hiroshima verblassen und definiert sie damit neu. Von beiden müssen
wir als Betrachter uns fragen lassen, wie wir es zulassen konnten, dass der schlicht unfassbare Schrecken der Wasserstoffbombe zum ästhetischen Signet verkommen konnte. Wollen wir es eigentlich
gar nicht mehr so genau wissen? Wollen wir nicht mehr so
genau hingucken?
Alke Brinkmann und Sencer Vardarman fragen uns weiter. Wie ertragen wir die stille Ästhetik der „Falling Men“, wenn die Geschichte dazu eigentlich offensichtlich sein muss und erdrückend? Wie
denken wir uns in die „Patterns of Mankind“ ein Miteinanderliegen und –lieben hinein, wo doch naheliegt, dass diese Muster menschliche Abgründe zeigen? Wohin, fragen wir schließlich fast
ängstlich, ist die Energie der Massen in „Night Watch“ gerichtet? Und ahnen schon – das wird nicht gut.
Weder Vardarman noch Brinkmann geben uns Antworten, sondern überlassen uns der Verunsicherung. Das Politische ist zurück. Keiner kann entrinnen.
Tom Levine

PORTRAIT DES GALERISTEN
mit Arbeiten von:
Thomas Behling · Frank Diersch · Thorsten Futh · Katrin Hoffert · Nikola Irmer · Thierry Perriard · Oliver Möst · Christoph Roßner · Hans-Peter Stark · Andreas Trogisch · Edgar Zippel
Eröffnung am Freitag, den den 03. Februar 2017 um 19 Uhr
04. Februar 2017 – 25. Februar 2017
Ein Portrait bildet ab. Wenn nicht das Äußere einer Person, dann doch ihr Wesen. Es ist untrennbar mit der Vorstellung von Identität verknüpft. Seine Entstehung ist ein Akt der Kommunikation
zwischen zwei Individuen.
Die Portraits in dieser Ausstellung nehmen auf unterschiedliche Art kritisch Stellung zu dieser Vorstellung. Sie verweigern die Aussage oder sie zeigen jemand, der offenbar kein Individuum ist
oder dem Autor als solches nicht bekannt, thematisieren das Inszenierte der Kommunikation oder den Willen zur Selbstdarstellung im Porträt.
Die Rolle des Galeristen als Vermittler zwischen Künstler und Realität ist zweifelhaft. Als ein von Künstlern betriebenes Projekt entmythisiert Axel Obiger den Galeristen wie den Künstler
gleichermaßen. Im Rahmen der Reihe von Ausstellungen, die das Konstrukt Axel Obiger und damit die Mechanismen des Kunstmarktes thematisieren, zeigt diese Ausstellung Portraits des Galeristen,
Portraits einer Fiktion.
Axel Obiger - die fiktive Figur des Galeristen- ist die Projektionsfläche für das, was wir von einem Galeristen erwarten, fürchten und wünschen: Abgedrehtheit, Selbstliebe, Erfolg, Authentizität,
Korruption, Biografie, eigene Kreativität, Geschäftssinn, Genius, Hybris, Humor, Zweifel, Ernsthaftigkeit und Kunstverstand, Eigenschaften, wie sie in den ausgestellten Portraits
aufscheint.
Maja Rohwetter
"Gallerist"
by Emily A. Greco
Will you go and how will I let you? Honorable occupation, make a home of me for the moment.
Too little has been said of the solitude, the bond in swimming the unity of silence. We stand, we lean, we hang by fixtures unseen, dangling by a puncture at the intersection of two planes. One
gesture, a wall, two, a nail, and the calculated force I have delivered to love you.
Command me, an unwavering commitment in allowing them to know you, permission to mingle with the passive, the scrutinizing. You, born of grace, touched by the politic of the now, in your power,
civilize me.
Choreograph my movements modest, give form to my name and body to my absence, in exchange I give you to the world.
Who am I, and when? To my fate, I am servant to your fate, to live one million lives in the memory of another, to dance eternal

Boden
mit Arbeiten von:
Roland Boden · Thilo Droste · Pauline Kraneis · Josina von der Linden · Enrico Niemann · Hansjörg Schneider · Tim Stapel
Eröffnung am Freitag, den 13. Januar 2017 um 19 Uhr
14. Januar 2017 – 28. Januar 2017
Der „White Cube“ gilt allgemein als Synonym für den idealen Ausstellungsraum mit neutral weißen Wänden, um Kunst unter den bestmöglich Bedingungen zu präsentieren. Im Falle des Projektraums „Axel Obiger“ gibt es zwar weiße Wände und eine ausgewogene Beleuchtung aber keinen neutralen Boden. Der graue Fliesenboden bestimmt mit seinem quadratischen Rastersystem optisch den Ausstellungsraum.
Wiederkehrende meist kontroverse Diskussionen innerhalb der Axel Obiger - Künstlergruppe zum ungeliebten Fußboden forderten deshalb eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Boden“ geradezu heraus.
Die Komplexität des Themas zeigt sich in zahlreichen Redewendungen. Wir können auf sicherem oder schwankendem Boden stehen. Wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren, haben wir meist verloren, aber möglicherweise wollen wir auch manchmal bewusst den Boden der Tatsachen verlassen. Mit Bodenpreisen und Bodenspekulationen werden horrende Gewinne erzielt und die Welt territorial aufgeteilt. Die Bodenbearbeitung, der Ackerbau, bedingt die existentielle Grundlage der Nahrungs-produktion. Die Ausstellung zeigt einen prägnanten Ausschnitt der überaus vielfältigen künstlerischen Produktion zum Thema.
Josina von der Linden
